Lebensversicherer: Mit Karacho in die Demographiefalle

Lebensversicherer: Mit Karacho in die Demographiefalle

Eigentlich müssten es gerade die Lebensversicherer wissen, kaum jemand kennt Sterbetafeln und Lebenserwartungen so gut wie die Aktuare, die Versicherungsmathematiker der Assekuranz: Die demographische Entwicklung wird hart!

Just letzte Woche hat das auch der oberste Chef der Versicherungslobby auf einer Tagung nochmals bestätigt. Durch die Massenverrentung der Boomer-Generation werden bald ein Drittel der Fachkräfte auch in der Versicherungsindustrie fehlen, erklärte Herr Jörg Asmussen.

Fachkräftemangel bei Versicherungsmathematikern ist also ein drängendes Problem. Die deutsche Aktuarvereinigung versucht schon seit längerem gegenzusteuern und den Beruf des Aktuars jungen Menschen schmackhaft zu (der übrigens spannend ist!).

Das wird aber nicht reichen. In ein paar Jahren werden die Unternehmen händeringend Nachwuchs suchen werden.

Hinzu kommt nun eine ganz andere Entwicklung: Der Höchstrechnungszins steigt ab 2025. Die Aktuare in den Versicherungen werfen gerade Excel und andere Rechenprogramme an und kalkulieren neue Tarife. Bald wird es wieder ein Feuerwerk von neuartigen Produkten geben: „Neue Klassik“, „Selekttarife“, „Mehrtopfhybride“…

Aber das verstärkt das Problem mit der Demographie: Die neuen Tarife müssen auch in der Zukunft von den Aktuaren gepflegt und geführt werden!

Ein Beispiel: Das Abwicklungsunternehmen Proxalto hat vor ein paar Jahren die Bestände der Generali-Versicherung übernommen. Immerhin etwa vier Millionen Verträge. Klingt nach sehr viel, aber die werden ja nur „abgewickelt“ – meint man. Noch schlimmer als die schiere Anzahl der Verträge ist aber die Anzahl der Tarife. Knapp tausend unterschiedliche Vertragskonstruktionen schlummern im Bestand. Und nur weil die „abgewickelt“ werden, wird das Problem nicht geringer. Erst wenn alle Kunden in den Tarifen tot sind, ist so ein Tarif fertig abgewickelt. Und das wird noch Jahrzehnte dauern.

Die neuen Rententarife, die jetzt entwickelt werden müssen noch im nächsten Jahrhundert gepflegt werden. Für jeden Rententarif, der heute neu aufgelegt wird, muss es im Jahr 2200 noch Aktuare geben, die den Tarif verstehen und nachrechnen können.

Aber wo sollen diese Aktuare herkommen? Eine künstliche Intelligenz wird das so einfach nicht bewältigen kann. Die einen oder anderen Grenzen der künstlichen Intelligenz konnten wir bei der diesjährigen Wissenschaftstagung des BdV ja schon kennenlernen, war da doch „KI“ das Schwerpunktthema.

Deshalb mein erklärter Wunsch an die Versicherer:

Wenn ihr jetzt neue Tarife für das nächste Jahr rechnet, dann macht das doch mal etwas einfacher, schlanker und nicht so kompliziert! Dann könnt ihr die Verträge auch in 80 Jahren noch selber rechnen.

PS: Ansonsten bleibt als Beruhigung nur die Versicherung von der Chefin der europäischen Aufsichtsbehörde Petra Hielkema, dass die Aufsicht darauf achten wird, dass genügend Aktuare vorgehalten werden…